Schon im Titel wird deutlich, dass Carsten Vonnoh in seinem Buch mehrere Dimensionen des Vaterseins thematisiert. In seiner Einführung beschreibt er dann die Ansprüche, die er auf den folgenden 240 Seiten einlösen möchte. Er möchte den Versuch wagen, aus einer männlichen Perspektive die Erwartungen und Begrenzungen des Väterlebens beschreiben und Väter vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Väterforschung zu einer ehrlichen Reflexion ihres Vaterseins ermutigen. Und weiter, ‚Mein Buch soll eines dieser Bücher sein, bei denen wir uns gewünscht hätten, unsere Eltern hätten sie gelesen.‘
Um es vorwegzunehmen, hier stapelt Carsten Vonnoh nicht zu hoch, ihm gelingt es vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit seiner eignen Vaterschaft und seiner Trennung sowie einer langjährigen Beratungspraxis als systemischer Therapeut eine wirklich außerordentliche Sammlung von Perspektivwechseln, Hintergründen und Erfahrungen zu präsentieren und quasi nebenbei zahlreiche weitere Forscher:innen und Expert:innen zu Wort kommen zu lassen.
Er möchte mit seinem Buch, in dem er in sieben Abschnitten auf grundlegende Aspekte des Vaterseins wie zum Beispiel: ‚Warum Väter so bedeutsam sind‘, ‚Wie das eigene Vaterbild ins Heute wirkt‘ und ‚Getrennt Vater sein‘ eingeht, seine Leser auf dem Weg in erfüllendes und gelingendes Vatersein begleiten. Dabei ziehen sich folgende drei Leitfragen durch alle Kapitel:
Welche Auswirkungen haben meine eigene Prägung und meine Haltung auf mein Vatersein? Wie gelingt es mir, eine authentische Vaterpräsenz und eine gute Bindung zu meinem Kind zu etablieren? Wie halte ich meine eigenen Grenzen und Bedürfnisse im Blick um wertvoll in Partnerschaft und Vater-Kind-Beziehung zu sein bzw. zu bleiben?
Und der Weg des Vaters ist ein starkes Bild in dem Band. Er fängt mit den Geschichten und Erfahrungen an, die ich als Sohn in der Ursprungsfamilie gemacht habe und der vielleicht mit noch nicht bearbeiteten Verletzungen geprägt ist. Und vielfach gab es keinen Vater und statt der guten und schlechten Erfahrungen gab es Phantasien und Sehn-Süchte. Aber Väterforschung ist an dieser Stelle zu dem ermutigenden Ergebnis gekommen, dass sich junge Männer so oder so vornehmen es besser zu machen als der eigene Vater und dabei auch überwiegend ein partnerschaftliches Modell vor Augen haben.
Das ist ein guter Vorsatz, aber wo sind die Vorbilder, die Leitplanken, die passenden Rahmenbedingungen und vor allem der Austausch und die Reflexion des eigenen Handelns als Vater und wie sehen die Startbedingungen aus? Hier leistet das Buch gute Arbeit, in die Texte eingestreut bietet Vonnoh die Leser:innen Möglichkeiten zur Selbstreflexion in Form von Fragen die Zugänge zu vergangenen Erfahrungen öffnen.
Und immer wieder, es geht darum einen eigenen Weg zu finden: „Als Mann muss ich bereit sein, etwas zu investieren. Denn Vatersein ist einem Mann nicht in die Wiege gelegt, sondern muss erlernt und erarbeitet werden. … In dem Augenblick, in dem ich als Vater immer wieder versuche, auf mich zu achten, an mir zu arbeiten, bewusster zu erziehen, bin ich fast automatisch auch näher an meinem Kind.“ Und es geht natürlich auch um Gefühle und darum diese als Vater auch zu zeigen, auch wenn dies für viele Männer immer noch nicht selbstverständlich ist. „Tränen sind die Waschanlage der Seele“ ist das Kapitel überschrieben, in dem Vonnoh mögliche Zugänge zu den tiefen Gefühlen beschreibt.
In einem achten Kapitel beschreibt Carsten Vonnoh seine Visionen für ‚Das Vatersein im 21. Jahrhundert‘. Seiner Einschätzung, dass „Verantwortlich Vatersein ist die härteste, aber auch die größte und die schönste Aufgabe, die sich uns als Mann stellt.“ kann ich voll unterstützen. Damit dies gelingt, braucht es endlich die passenden Rahmenbedingungen dazu. Diese sind in den 11 Wünschen, die der Autor am Ende des Buchs formuliert, gut beschrieben. Dabei wird auch klar, dass Väter auch hier einen wichtigen Beitrag leisten können und müssen. Die Zauberfee alleine wird es nicht richten können. Es braucht aber Frauen an der Seite der Väter, die sie partnerschaftlich begleiten und unterstützen und Respekt für seinen Weg zeigen.
Damit die Aufforderung, den Austausch und Dialog mit anderen Vätern zu suchen, auch Erfolge bringt, sind am Ende des Buchs neben einer fundierten Literaturliste auch Adressen und Links abgedruckt, die für jedes Bundesland kompetente Anprechpartner auflisten.
In meinen Augen sind die knapp 19 Euro eine sehr lohnende Investition, die dazu beitragen kann, manche Sackgassen und Irrwege zu meiden und den eigenen ‚Vaterweg‘ gelingend zu finden und zu gestalten.