Die Veröffentlichung der Ergebnissen der Umfrage ‚Spannungsfeld Männlichkeit‘ durch Plan International hat im vergangenen Sommer hohe Wellen geschlagen. Im Fokus der Aufmerksamkeit stand die vermeintlich hohe Gewaltbereitschaft bei einem Drittel der Befragten.
Die von den befragten jungen Männern im Alter zwischen 18 und 35 Jahren geäußerten Haltungen und Meinungen zeugen von einer großen Verunsicherung darüber, was Männlichkeiten heute ausmachen und einer Rückbesinnung auf überwunden geglaubte Vorstellungen.
Das kommt deutlich in den Vorstellungen zur Aufgabenteilung in der Familie zum Ausdruck: 52 Prozent der jungen Männer sehen ihre Rolle darin, im Beruf genug Geld zu verdienen, die Zuständigkeit für die Carearbeit weisen sie ihrer Partnerin zu.
Abgesehen davon, dass dies auch bedeutet, dass 48 Prozent der Befragten einer partnerschaftlichen Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zustimmt, ist diese Rollenerwartung wirklich aus der Welt? Das seit einem Jahr andauernde Gerangel um die Familienstartzeit, die als Vaterschaftsfreistellung im Koalitionsvertrag verankert ist, weckt Zweifel.
Dass Erfahrungen von Vaterschaft, insbesondere in Krisen- und Trennungssituationen, Einstellungen zu Gleichstellungspolitik beeinflussen, hat die im November 2023 veröffentlichte Studie des Bundesforums Männer ‚Einstellungen von Männern zu Gleichstellung und Gleichstellungspolitik‘ deutlich aufgezeigt:
Die mit Abstand meisten Befürworter (32 %) einer offensiven Gleichstellungspolitik gibt es bei Männern, die mit einer Partnerin ohne Kind in einem Haushalt leben. Bei dieser Gruppe noch häufiger vertreten sind distanzierte Akzeptanz und Desinteresse (35 %).
In der Lebenslage mit Kindern im Paarhaushalt kippt bei einem Teil die Grundhaltung zu Gleichstellung: Hier befürworten nur noch 18 % eine offensive Gleichstellungspolitik, hingegen 23 % eine moderate Gleichstellungspolitik.
Die Lebenssituation mit Kind die verändert politische Einstellung zu Gleichstellung bei einem erheblichen Teil der Männer. Die Betroffenheit ist eine andere, die Herausforderungen sind konkreter, die Belastungen höher und die erfahrenen Widersprüche größer. Das lässt den Schluss zu, dass die aktuelle Gleichstellungspolitik Väter in gewisser Weise ‚verliert‘ bzw. von Anfang an nicht mitgenommen hat
Das zeigt sich besonders deutlich bei alleinerziehenden Vätern: Bei diesen ist die Haltung gegen Gleichstellung mit Abstand am größten (44,5%). Der Anteil der Befürworter einer offensiven Gleichstellungspolitik ist stark unterdurchschnittlich (15 %).
Viele Väter – in Partnerschaft oder alleinerziehend – sehen sich von der Gleichstellungspolitik nicht beachtet, nicht berücksichtigt und kommen zum Eindruck, Gleichstellungspolitik ist im Kern Frauen- und Mütterpolitik.
Diese Ergebnisse waren für die LAG Väterarbeit Anlass, mit der Kurzbefragung im ersten Quartal ein aktuelles Stimmungsbild ‚einzufangen‘ und haben dazu vier Fragen gestellt:
- Hat Familien- und Gleichstellungspolitik Anliegen von Vätern im Blick?
- Welche Anliegen von Vätern sind in ihren Augen besonders bedeutsam?
- Was benötigen Väter nach Trennung und Scheidung
- Was können Männer und Väter zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen?
Die Antworten sind nicht repräsentativ, die Teilnehmenden sind überwiegend Väter (88,2 %) und davon ein erheblicher Anteil in Trennungssituationen.
Dementsprechend fällt die Einschätzung der aktuellen Familien- und Gleichstellungspolitik aus: fast 90 % der Antwortenden sind der Überzeugung, dass diese die Anliegen von Väter zu wenig im Blick hat bzw. diese vernachlässigt.
Die Frage nach der Bedeutung von verschiedenen Anliegen zeigt, dass ein gleichstellungspolitisches Anliegen, die gleichmäßige Verteilung des ‚Financial Load‘ von 71 % der Antwortenden als bedeutsam angesehen wird, unmittelbar gefolgt von der Anerkennung der Vaterschaft von nicht verheirateten Vätern. An dritter Stelle folgt die Vaterschaftsfreistellung nach der Geburt.
Unter ‚Sonstiges‘ werden überwiegend Regelungen benannt, die Vaterschaft und Beziehung zu den Kindern nach einer Trennung stärken können.
Auf diese Krisensituation zielte die dritte Frage gezielt ab. Hier wünschen sich mehr als 83 % der Antwortenden gesetzliche Regelungen, die bestehende Konflikte nicht steigern und an zweiter Stelle (78 %) eine Berücksichtigung der Betreuungsanteile bei der Bemessung des Unterhalts. Gute Beratungsangebote folgen mit knapp 59 % an dritter Stelle.
Da Gleichstellung und insbesondere Geschlechtergerechtigkeit aktives Handeln von Männern und Vätern erfordert, haben wir in der vierten Frage nach möglichen Beiträgen gefragt: knapp 88 % sind der Überzeugung, dass von einer gelebten partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Carearbeit und der Übernahme von Sorgearbeit unmittelbar nach der Geburt die größten Effekte ausgehen.
Es kommt also darauf an, die entsprechenden strukturellen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, Väter von Anfang an in Familie einzubinden, ihnen Bedeutung zuzuschreiben und als Subjekte von Gleichstellungspolitik zu adressieren.
Positive Erfahrungen und das Gefühl ernst genommen zu werden, haben das Potenzial Einstellungen zu verändern. Ein Ignorieren der Entwicklung und die Formulierung von Vorwürfen wird das Gegenteil bewirken.
Die kompletten Ergebnisse der Kurzumfrage finden Sie hier: Antworten Kurzumfrage Väter- und Familienpolitik