Gespräch mit Philip Krüger, der eine Dissertation zum Thema Väter in der Geburtsvorbereitung verfasst
- Welche Chancen stecken in einer Teilnahme von Vätern an einem, an ihren Bedürfnissen ausgerichteten Angebot zur Vorbereitung auf die Geburt?
Das ist ein spannendes Thema, im Grunde genommen war die Geburt ja, viele Jahre, viele Jahrzehnte ein Themenfeld, in dem Männer, Väter, werdende Väter nicht vorkamen. Man spricht auch gemeinhin von dem früher herrschenden Geburtsverbot. Man erinnert sich noch an die Väter, die nervös auf dem Krankenhausflur auf und abgingen, vielleicht sogar noch, das kann man sich heute nicht mehr vorstellen, eine Zigarette rauchten. Und irgendwann später kam dann jemand und sagt, herzlichen Glückwunsch, sie sind Vater geworden.
Und das hat sich gewandelt, in den letzten Jahrzehnten, im Grunde genommen schon Ende des ausgehenden, vorherigen Jahrhunderts. Inzwischen ist ein Dabeisein und eine Beteiligung der Väter am Geburtsprozess tatsächlich schon fast zum Standard, eher sogar noch ein bisschen zur Erwartung geworden. Ohne das die werdenden Väter jetzt eine tatsächliche, aktive Rolle hätten. Außer der, ihre Frau, die werdende Mutter gut zu begleiten und dieses Ereignis mit ihr zusammen zu teilen. Dass das Kind jetzt auf die Welt kommt.
Dazu gibt es einige Normierungen, die sich mittlerweile so etabliert haben. Eich etabliert, dass die werdenden Väter zum Beispiel die Nabelschnur durchschneiden, oder gefragt werden, ob sie die Nabelschnur durchschneiden wollen. Und da gegebenenfalls auch so ein bisschen Druck empfinden. Plus die Tatsache, dass halt nicht so ganz klar ist, was ist jetzt ihre Rolle. Und das sorgt für Verunsicherung. Das hat man früher schon festgestellt, und ich kann das so in meiner Forschung auch feststellen, dass das eine ganz große Ambivalenz, und eine ganz große Verunsicherung für Männer ist, für werdende Väter ist. Dass sie nicht wissen, was kommt da auf mich zu? Vor allen Dingen, wenn das das erste Kind ist, was auf die Welt kommt.
Es gibt viele Themen, die sie bis dahin gut abgeschlossen und gut abgearbeitet haben. Sie sind meistens im Beruf angekommen, sie haben da vielleicht auch schon die ein oder anderen Pflöcke im Beruflichen eingeschlagen. Haben auch in Richtung Familiengründung, Wohnung ausbauen, Haus bauen, was auch immer schon diverse Wege genommen. Und sich mit anderen ausgetauscht.
Aber dieses Geburtsereignis ist etwas, ja, das könnte man schon fast als Black Box bezeichnen. Man weiß nicht so genau, was kommt da auf einen zu. Und gibt es da vielleicht Dinge, die da passieren, die ich nicht sehen möchte. Wie sieht es aus, kann ich damit umgehen, wenn die werdende Mutter starke Schmerzen hat? Und ich bin dabei, kann ich das aushalten? Kann ich das aushalten, dass vielleicht Blut zu sehen sein wird, oder andere Sachen? Kann ich das aushalten, dass es gegebenenfalls nicht ‚normal‘ verläuft? Also, dass es keine natürliche Geburt ist, sondern, es vielleicht einen Kaiserschnitt braucht, oder andere Maßnahmen? Und kann ich das aushalten, dann dabei zu sein?
Das ist schon etwas, was werdende Väter herausfordert, und wo sie sich Gedanken machen. Und wo sie nicht unbedingt adäquate Rollenvorbilder haben, die ihnen dann das näherbringen können, was an der Stelle auf sie zukommt. Auf der anderen Seite keine anderen Erfahrungen haben, wo sie dran anknüpfen können. Das heißt also, es gibt wahrscheinlich bei den wenigsten irgendwelche beruflichen Erfahrungen, oder im privaten Umfeld Erfahrungen, die in irgendeiner Art und Weise diesem Geburtsereignis, diesem auch hochemotionalen und freudigen Geburtsereignis, irgendwie gleichkommen, oder nahekommen.
Sodass Mann also tatsächlich Mann, mit zwei N in diesem Fall, dass Männer, dass werdende Väter, tatsächlich an dieser Stelle davon profitieren können, wenn sie in dieses Feld eingeführt und herangeführt werden. Und, das zeigen die Ergebnisse meiner Forschung, dass es da ganz gut ist, wenn Männer vor allen Dingen über den Informationsgehalt: Zahlen, Daten, Fakten abgeholt werden. Und dann darüber hinaus, wenn diese Informationen dann geflossen sind, dann entsprechende, weitere Fragestellungen, die auch mehr so in den reflexiven Beratungsbereich gehen, dann auch vertiefen können und auch dementsprechend dann da auch nochmal ihre Sorgen, Ängste und Nöte kundtun können.
Das hat sich offensichtlich bewährt, so ist es mir berichtet worden. Ich habe mir im Rahmen meiner Forschung zum Beispiel ein Angebot angeschaut, was von einem Gynäkologen geleitet wird, der selbst auch Vater ist. Also, von daher so eine Art Doppelexpertise hat. Er ist Geburtshelfer, also, er war schon bei vielen, hunderten Geburten dabei. Und hat selbst auch diese Vaterschaftserfahrung. Und der hat zum Beispiel in seinem Kurs medizinisches Material rumgegeben. Also, hat mal eine Saugglocke rumgegeben. Hat gezeigt, wie sieht eine PDA aus. Um einfach über diese Information und über dieses Wissen, den Männern eine gewisse Sicherheit zu vermitteln.
Und das ist vielleicht die Quintessenz dabei. Also, es geht darum, vor diese unerwarteten und nicht planbaren Erfahrungen eine gewisse Sicherheit zu vermitteln, damit es für beide, für die werdende Mutter und den werdenden Vater auch eine, im besten Fall positive Erfahrung wird. Punkt eins. Und auf der anderen Seite aber auch, damit die werdenden Väter in eine Art aktive Rolle gebracht werden können und sie nicht mit Unsicherheiten konfrontiert werden, die sich dann gegebenenfalls auf das gesamte Geburtssystem übertragen. Wenn jemand da nicht weiß, was er zu tun hat und ich sage mal ‚nur im Weg rumsteht‘, dann hilft das natürlich auch dem medizinischen Personal in keinster Art und Weise.
- Welche Konsequenzen hat ein Ausschluss von Vätern bei Arztbesuchen ihrer Partnerin und das Fehlen eines Angebots, sich auf die Geburt vorzubereiten?
Da kann ich jetzt nicht ganz, ganz viel zu sagen. Ich habe das in meiner Studie ein bisschen mit drin, weil ich vor und nach dem Auftreten von Corona erhoben habe. Und denjenigen Vätern, die ich nach dem Auftreten von Corona befragt habe, haben diese Ausschlusserfahrungen, Exklusionserfahrungen gemacht, die es wahrscheinlich davor auch schon teilweise gegeben hat. Ich weiß nicht, ob das vorher ein Standard war oder ob das weit verbreitet war, dass Väter, oder werdende Väter den Frauenarztbesuch begleitet haben. Aber zumindest in dieser Zeit haben sie eine gewisse Ausschlusserfahrung gemacht und haben dann für sich festgestellt, dass es ihnen nicht leicht gefallen ist, da in eine Bindung zu kommen. Also, dass sie tatsächlich das sehr schade gefunden haben.
Und mir ist wortwörtlich berichtet, dass jemand gerne von dem ersten Ultraschall nicht nur das Bild gesehen hätte, sondern tatsächlich dabei gewesen wäre und das am Bewegtbild, an diesem Ultraschallbildschirm in der Praxis, auch gerne gesehen hätte. Um einfach frühzeitig schon zu dem Kind eine Bindung aufzubauen, und auch als Paar, als gemeinschaftliches Erlebnis zu haben. Das sind natürlich so Erlebnisse, die dann schwierig sein könnten.
Weil es zum Beispiel ja auch verschiedene Vorsorgeuntersuchungen gibt, die zum Beispiel Erkrankungen, mögliche Behinderungen und so weiter und so fort, screenen. Beim Kind, was noch im Mutterleib ist. Und da hat mir dann auch jemand berichtet, dass es natürlich für das Paar eine Belastung war, dass der werdende Vater zwar seine Frau zum Frauenarzt also, bis zur Praxis begleiten konnte, dann aber diese Untersuchung, diese Screening-Untersuchung auf potenzielle Krankheiten nicht begleiten konnte. Und sich dann Gedanken gemacht hat, was wäre jetzt gewesen, wenn es für uns eine negative Nachricht gegeben hätte? Wie wären wir damit umgegangen? Wie hätten wir damit umgehen können, wenn die Frauenärztin der werdenden Mutter eröffnen muss, wir haben festgestellt, dass es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bei ihrem Kind zu dieser oder jener Auffälligkeit kommen kann? Wie wären wir als Paar damit umgegangen, wenn ich in dem Moment nicht hätte mit dabei sein können und dieses Ergebnis zusammen dann auch mitverarbeiten können? Natürlich kann man das im Nachhinein zusammen verarbeiten, aber vielleicht ist es was anderes, wenn man bei der Verkündigung, dieser Situation, wenn man da zu zweit ist? Und sich gegenseitig als Paar dann auch stützen kann.
Also, diese Paardynamik, die ist bei dieser Herausforderung ‚Elternschaft‘, auch später, wenn das Kind da ist, sehr bedeutsam. Wir versuchen beide Eltern zu adressieren und das ist, glaube ich, dann im Vorfeld der Geburt auch schon wichtig. Mitzubedenken, dass Paare ja auch Dinge mit sich als Paar ausmachen müssen und nicht nur mit der einzelnen Person, dem werdenden Vater, oder der werdenden Mutter in dem Fall dann in Kontakt zu sein.
Von daher ist es schon so, dass die werdenden Väter da eine gewisse Ausschlusserfahrung, eine gewisse Exklusionserfahrung gemacht haben. Und das auch nicht positiv empfunden haben.
- Was muss deiner Meinung nach strukturell im System ‚Geburtsvorbereitung und -durchführung‘ verändert werden, damit Väter sich von Anfang an als bedeutsam erleben können?
Ich bin ja kein Geburtshelfer, sondern Sozialarbeiter und blicke von dieser Perspektive darauf. Aber im Grunde genommen, steckt in dem, was ich vorhin schon gesagt habe, ganz viel drin, was ich an dieser Stelle auch noch mal wiederholen kann. In meiner Wahrnehmung ist es so, dass es wichtig ist, in diesem Geburtshilfesystem Bildungsangebote zu etablieren, die über die klassischen Angebote wie Geburtsvorbereitungskurse hinausgehen.
Angebote, bei denen es darum geht, was heißt es denn, Vater oder Mutter zu werden? Tatsächlich auch für beide Elternteile. Also, nicht nur für werdende Väter, auch für werdende Mütter. Was heißt es denn überhaupt, ein Elternteil zu sein? Es gibt da ja mit dem Paragraph 11 im SGB VIII eine gesetzliche Grundlage, solche Angebote auch zu etablieren. Es wird teilweise durch Familienhebammen versucht, das so ein bisschen mit darzustellen, aber das ist etwas, was nicht allen Menschen offensteht und nicht für alle Menschen zugänglich ist. Von daher wäre es wünschenswert, wenn es solche Bildungsangebote gibt. Quasi frühzeitige, pränatale Familienbildungsangebote an denen also auch beide partizipieren können. Wo dann aber auch geschlechterhomogen partizipiert werden kann. Um dann auch noch mal die unterschiedlichen Themen und Anliegen adressieren zu können. Und dass da sowohl werdende Väter als auch werdende Mütter in all ihrer Diversität angesprochen werden
Wenn wir an Geburt denken, denken wir häufig an die heteronormative Familie, aber das muss ja nicht sein. Es ist ja auch durchaus möglich, dass zwei Frauen miteinander verheiratet sind und ein Kind bekommen. Und auch diese Diversitäten werden meiner Wahrnehmung nach im aktuellen Geburtssystem nicht ausreichend genug berücksichtigt. Abseits der medizinischen Fragestellungen, die durch das Hebammenwesen und durch die Geburtshilfe abgedeckt sind. Da geht es vor allen Dingen um die Gesundheit der werdenden Mutter und des Kindes.
Psychosoziale Versorgung wird in Geburtskliniken, Hebammenpraxen und Geburtshäusern mit adressiert, aber tatsächlich nicht spezifiziert adressiert. Und da wäre es wünschenswert, wenn man diese Lücke schließen könnte. Und man ein Angebot machen kann. Dann kann jedes Paar für sich entscheiden, jede einzelne Person für sich entscheiden, ob er oder sie dieses Angebot annehmen möchte oder nicht.
Vielen Dank für das Gespräch.