Bericht über das Werkstattgespräch am 17. August 2022
Am 15. Juni 2020 ist die erste Männerschutzwohnung in Düsseldorf im Rahmen eines vom Land NRW geförderten Modellprojekts eröffnet worden. In den folgenden Monaten sind weitere in Köln, Warendorf und Heinsberg entstanden, vor wenigen Wochen ist Bielefeld dazugekommen. Allein in Düsseldorf haben seit der Eröffnung 26 Männer und 8 Kinder Schutz vor Gewalt gefunden.
Männer, Väter als Opfer von häuslicher Gewalt ist ein Thema, das lange tabuisiert worden ist und auf Seiten der männlichen Opfer mit Scham behaftet ist. Seit 2017 werden in der polizeilichen Kriminalstatistik weibliche und männliche Opfer getrennt aufgeführt und im ‚Hellfeld‘, das sind die Taten, die zur Anzeige gebracht werden, sind 20% der Opfer männlich.
In der Pressekonferenz zur Eröffnung der Schutzwohnung erklärte die damalige Gleichstellungsministerin Scharrenbach: „… die Notlage auch von Männern ist groß. Allein in NRW haben wir 2018 rund 7000 Fälle häuslicher Gewalt gezählt, in denen Männer die Opfer waren. Dazu kommt das vermutlich hohe Dunkelfeld.“
Vor diesem Hintergrund präsentierte Tobias Schiefer, Männerberater bei der SKM gGmbH in Düsseldorf, die Arbeit in den drei Schutzwohnungen, zwei Einzel- und einem Doppelapartment. Zielgruppe des Angebots sind volljährige Männer mit ihren Kindern, die von häuslicher Gewalt betroffen oder akut bedroht sind. Die bisherigen Schutzsuchenden kamen aus hetero- und homosexuellen Paarbeziehungen, aus familiären Zwangskontexten, waren zum Beispiel von Zwangsverheiratung bedroht, aus bi-nationalen Partnerschaften, waren von Elterngewalt oder Elternmisshandlung betroffen oder haben Gewalt durch Kinder, die im selben Haushalt leben, erfahren.
Ziele des Schutzkonzepts, das mit regelmäßiger Beratung verbunden ist, sind Schutz-, Rückzugs- und Wohnraum für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung zu stellen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt ca. 3 Monate.
Im Mittelpunkt der Arbeit mit den Klienten steht deren psychische Stabilisierung und Entlastung sowie die Stärkung der Handlungsfähigkeit und der Selbstbestimmung. Perspektivisch geht es um die persönliche Weiterentwicklung und Neuorientierung außerhalb der ‚Gewaltbeziehung‘ sowie die Vermittlung weiterführender Hilfen.
Der Zugang zu den Schutzwohnungen geschieht auf unterschiedlichen Wegen, zu Beginn waren es Männer aus der eigenen Beratungsstelle und dem Netzwerk „Echte Männer Reden“. Mit der zunehmenden Bekanntheit der Einrichtung sind es auch „Selbstmelder“ und Männer, die von anderen Institutionen und Einrichtungen auf ‚Freiraum‘ hingewiesen werden.
Die durchschnittliche Auslastung betrug im vergangenen Jahr fast 94% und 11 Männer sind an Einrichtungen in anderen Bundesländern vermittelt worden.
Der von Freiraum zur Verfügung gestellte ‚Hilfeprozess‘ ist in einer Grafik übersichtlich dargestellt:
In der anschließenden Diskussion ging es vor allem um die Frage der Weiterentwicklung des Angebots. Mit den 20 zur Verfügung stehenden Plätzen liegt NRW bundesweit an der Spitze, aber die durchgehende Vollauslastung ist ein sicheres Indiz dafür, dass die Plätze nicht ausreichen. Die anwesenden Kollegen aus Niedersachsen und Hessen berichteten über ihre bisher vergeblichen Versuche, für das Thema überhaupt Ansprechpartner in Politik und Verwaltung zu finden.
Spannend wurde es an der Stelle, als es um die Perspektive nach der gut ausgestatteten Projektphase ging. Die Mitarbeiterin eines Frauenhauses berichtete über die prekäre Absicherung ihrer Einrichtung und es bestand Einigkeit darüber, dass gemeinsame Standards entwickelt werden und es nicht sein darf, dass Opfer von Gewalt, seien es Männer oder Frauen sich für die Aufnahme in einer Schutzeinrichtung verschulden müssen.
Daneben ist es ebenso wichtig, dass es in jedem Bundesland und jeder Kommune genügend Schutzeinrichtungen zur Verfügung stehen, die mit professionellen Beratungsangeboten verknüpft sind. Im Koalitionsvertrag der Ampel sind die Grundlagen dafür gelegt worden:
„Wir werden das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder absichern und einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellen. Wir bauen das Hilfesystem entsprechend bedarfsgerecht aus. Der Bund beteiligt sich an der Regelfinanzierung. Dies gilt auch für bedarfsgerechte Unterstützung und Zufluchtsräume für männliche Opfer von Partnerschaftsgewalt.“
Präsentation von Tobias Schiefer Werkstattgespräch Männergewaltschutz