„… Migrantische Väter können ebenso gut engagierte Väter sein wie Mehrheitsdeutsche ohne Migrationshintergrund. Die Heterogenität unter migrantischen Vätern ist groß. Sie nehmen an passenden Angeboten engagiert teil und sehen für sich große Erfolge im Lernprozess.“
und andererseits:
„Die migrantischen Väter. Die sind ja so schlecht zu erreichen. Die haben ja so patriarchale Vorstellungen. Die, die, die …“
Woran denken Sie beim Begriff Vielfalt? Welche Väter und damit verbundene Bilder kommen Ihnen in den Kopf? Die Antwort ist sicherlich davon abhängig, mit welchen Aspekten von Vielfalt sind Sie bei Ihrer Arbeit mit Vätern konfrontiert sind und wo Sie bei diesem Thema die größten Herausforderungen für Ihre Arbeit sehen. Vielfach sind es die Väter, die aus anderen Kulturkreisen kommen, die wir nicht kennen oder die vermeintlich anders sind oder andere Wertvorstellungen zum Beispiel zu Erziehung und Rollenvorstellungen haben. Es lohnt sich in jedem Fall genauer hinzusehen und Väter einzuladen und anzusprechen.
Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften in Frankfurt hat sich dem Thema migrantische Väter in einem Projekt angenähert. Auslöser war zum einen die begründete Annahme, dass es für diese Gruppe nur wenige Angebote gibt. Zum anderen das klischeehafte Bild von migrantischen Vätern. Oft heißt es: „Die sind ja so schlecht zu erreichen. Die haben ja so patriarchale Vorstellungen. Und immer so dieses ‚die, die, die‘.“ Genau diese Schubladen, in der migrantische Väter oft festsitzen, sollten geöffnet werden. Darum sollte auch sichtbar gemacht werden, dass migrantische Väter in der Regel dieselben Sorgen, Freuden und Herausforderungen haben wie alle anderen Väter auch.
Zu Beginn wurde eine Bestandsaufnahme erstellt. Eine erste Erkenntnis: Anekdoten über „Problemväter“ bilden nicht die ganze Wirklichkeit ab. Oft wird jedoch aus diesen anekdotischen Einzelfällen geschlussfolgert: „Jeder, der so ausschaut wie dieser eine Extremfall, der muss genau so sein.“
Alexandros Stathopoulos, Leiter der Studie, sieht darin ein generelles Problem. „Das ist ja seit Jahren ein Trend, dass man Themen, die man in der Gesellschaft nicht haben will, einfach auf Ausländer bzw. den bösen, fremden Mann abwälzt bzw. überträgt. Und das ganz viele Männer überhaupt nicht so sind, wird komplett ignoriert. Die werden alle in einen Topf geworfen.“
Eine weitere zentrale Frage der durchgeführten Studie war, ob es besondere Herausforderungen und besondere Bedarfe bei migrantischen Vätern gibt. Die befragten Expert*innen sagen: „Nö, eigentlich nicht. Die haben genau dieselben Fragen wie andere Papas auch.“
Jeden Vater mit Migrations- und Fluchterfahrungen zeichnet jedoch eine mehrfache Zugehörigkeit aus, die mit Herausforderungen und Belastungen aber auch mit Ressourcen für ihn und die Väterarbeit verbunden ist. Neben diesen Aspekten gibt es aber eine ganze Reihe weitere Merkmale, die ebenso bedeutsam für die Ansprache und Einbeziehung von Vätern sind:
- das Lebensalter: es gibt jugendliche und späte Väter und ganz viel dazwischen
- Alter und Anzahl der Kinder
- der Beziehungsstatus: verheiratet, getrennt lebend, in Scheidung …
- Angehörige
- die geografische Herkunft: Stadt oder Land, zugewandert oder geflohen, sozialer Brennpunkt oder gut situierter Stadtteil
- die soziale Herkunft und Lebenslage: haben die Eltern eine akademische Ausbildung oder nicht, auskömmliches Einkommen oder Hartz IV
Weitere Ergebnisse der Studie
Um Väter mit Migrationsgeschichte und ihre Familienangehörigen – insbesondere ihre Kinder – zu stärken und den Kreislauf von negativer Selbst- und Fremdzuschreibung zu unterbrechen, gilt es einerseits existierende Vorurteilsstrukturen zu reflektieren und auf ihre Überwindung hinzuwirken. Andererseits sollten auch teils vorhandene patriarchale Rollenvorstellungen (z.B. bzgl. traditioneller Arbeitsteilung im Sinne einer Delegation der Erziehungsverantwortung an Mütter) oder problematische Leitbilder von Väterlichkeit als wenig förderlich für kindliche Entwicklung thematisiert werden.
Die Anzahl der Angebote für Väter mit Migrationsgeschichte müsste erhöht werden und die Fachkräfte in dem Bereich durch Vernetzungs-, Austausch- und Fortbildungsangebote unterstützt und in einer migrationssensiblen Haltung gestärkt werden.
Die identifizierten Bedarfe können nicht durch ein Projekt oder einen Träger allein abgedeckt werden, sondern erfordern ein landesweites Engagement von Trägern und Einrichtungen sowie politische und institutionelle Unterstützung und Ausstattung mit Ressourcen, wie es sie z.B. auch im Bereich spezieller Integrations- und Familienbildungsangebote für Frauen und Mütter mit Migrationshintergrund gibt.
Beispielsweise wäre zu überlegen, wie kommunale Dienste und Anlaufstellen in den Bereichen Familienbildung und -beratung sowie der Gleichstellung (migrantische) Väter stärker als Zielgruppe ansprechen und dort mit bedarfsgerechten Angeboten versorgen könnten, z.B. durch kommunale Väterbeauftragte.
Wichtige Erfolgsfaktoren in Kürze
- der Einsatz männlicher Fachkräfte mit Migrationsgeschichte
- die Verbindung migrationssensible Angebote der Väterarbeit mit solchen für migrantische Familien/ Mütter (Werbung über Mütter), die zumeist über aufsuchende Wege der Ansprache erreicht werden
- partizipationsorientierte und ressourcenaktivierende Ansätze
- die Beteiligung von Migrantenorganisationen und Elternvereine der Menschen mit Migrationsgeschichte in migrationssensibler Väterarbeit, nicht nur beim Zugang zur Zielgruppe
- die Ansprache in Kitas bietet Chancen, weil dort Väter unabhängig von ihrer ethnisch-kulturellen Zugehörigkeit über Spiel-, Sport- und Freizeitpädagogik (Vater-Kind-Spieltreff , Vater-Kind-Aktion oder – Wochenende) gut erreicht werden
Väter mit Migrationsgeschichte …
- suchen Räume für den Austausch mit anderen Vätern.
- berichten mitunter von Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen, die als besonders belastend empfunden werden, wenn sie selbst oder die Kinder direkt bzw. indirekt betroffen sind.
- wünschen sich Unterstützung, v.a. um ihre Kinder stärken und für deren gute Entwicklung, Bildung und Zukunft gut begleiten zu können.
- Praxistipp: Erarbeiten Sie für Ihre Einrichtung fachliche Kriterien zum Umgang mit Vielfalt, beseitigen Sie Zugangsschwellen und beteiligen Sie Väter dabei.
Praxistipp
Erarbeiten Sie für Ihre Einrichtung fachliche Kriterien zum Umgang mit Vielfalt, beseitigen Sie Zugangsschwellen und beteiligen Sie Väter dabei.