… lautet der Titel des Erstlingswerks von Fabian Soethof, das am 21. März im Kösel Verlag erscheinen wird. Programmatisch heißt es im Untertitel „Es ist Zeit, Familie endlich gleichberechtigt zu leben“. Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen. Gedanklich ergänzt sich der Titel bei mir um das Wort ‚lernen‘ und beim Untertitel denke ich daran, was meine Kollegen und ich in den vergangenen 25 Jahren bewegt und erreicht haben, um Rahmenbedingungen so zu beeinflussen, dass dies Vätern und Müttern gleichermaßen gelingt. Aber dazu später mehr.
In dem umfangreichen Vorwort beschreibt der Autor die Ausgangslage aus seiner Sicht und sieht seine Generation als diejenige, die erstmals aus der Ernährerrolle ausbrechen „soll und will“. Im Gegensatz zu „Früher“ wo Rollen klar zugeordnet waren, wollen Väter heute nicht mehr abwesend sein und Mütter am Erwerbsleben teilhaben. Das Spannungsfeld liegt zwischen den zugeschriebenen Erwartungen und den eigenen Wünschen. „Die Aufgaben waren klar verteilt. Frauen und Männer taten vielleicht nicht das, was sie wollten. Aber das, was von ihnen erwartet wurde.“ Und dann kommt ein für mein Verständnis des ganzen Buches entscheidender Satz: „Diese Zeiten sind leider nur teilweise vorbei.“
Vor diesem Hintergrund ist ein „Plädoyer für eine private, gesellschaftliche und politische Veränderung von Familie, Arbeit, Vereinbarkeit und Rollenbildern.“ legitim und die Einladung an Väter, „ihre Rolle zu reflektieren, kritisch zu hinterfragen und sich infolgedessen auch von überholten Erwartungshaltungen zu befreien,“ gut nachvollziehbar.
Der nächste Satz macht mich aber stutzig: „Väter müssen keine Angst verspüren, bisher als selbstverständlich wahrgenommene Privilegien abzugeben, wie das, sich nur um ihren Job zu kümmern.“ Das zu tun, was von mir erwartet wird, Vollzeit in einer oder prekär in zwei oder mehr Beschäftigungsverhältnissen erwerbstätig zu sein, ist für mich kein „Privileg“.
Das sich an der Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Carearbeit etwas ändern muss, ist unbestritten. Das machen auch die von Soethof zitierten Studien und die Zeitverwendungserhebung oder die vom IAB regelmäßig erhobene Verteilung von tatsächlichen und gewünschten Arbeitszeiten deutlich. Da aber Mütter und Väter gleichermaßen in der Summe ca. 11 Stunden für Care und Erwerbsarbeiten aufwenden, ist eine Veränderung nur systemisch zu erreichen.
„Don’t fix the women, fix the system“ lautet eine feministische Vision, für die Google mehr als 90.000 Fundstellen liefert. Dementsprechend hätte ich von einer Einladung an Väter, ihre Wünsche nach einer partnerschaftlichen familialen Aufgabenteilung zu verwirklichen und vielmehr noch von einem ‚Plädoyer für Veränderung‘ erwartet, dass dieser Haltung entsprechend Möglichkeiten erwogen, Spielräume ausgelotet und konkrete strukturelle Veränderungen, die dies ermöglichen, benannt werden.
Aus dem was Soethof auf den nächsten gut 200 Seiten schreibt, lese ich vor allem eine widersprüchliche Adaption dessen, was in Gesellschaft und Politik zu langsam umgesetzt wird und einem ungeklärtem Verhältnis zu dem, was er Vätern tatsächlich zutraut bzw. von ihnen erwartet. „Viele, glaube ich, wollen die Rollenbilder ihrer eigenen Eltern eigentlich gar nicht weiterführen. Allerdings sprechen sie nicht konkret darüber, treffen keine genauen Vereinbarungen und landen schneller als gedacht in vertrauten Mustern oder der Rolle, die gesellschaftlich von ihnen erwartet wird. Manche trauen sich vielleicht auch gar nicht, etwas anderes einzufordern. Niemand trägt hier irgendeine direkte, unmittelbare Schuld. Aber Veränderung beginnt mit Erkenntnis.“
Alexandra Schmidt-Wenzel hat, um auch die individuelle Ebene zu betrachten, vor 15 Jahren mit ihrer Dissertation dargelegt, wie aus Erfahrung Erkenntnis werden und sich daraus Verhalten entwickeln kann. In „Wie Eltern lernen.“ einer empirisch qualitative Studien zum innerfamilialen Kompetenzerwerb hat sie diese Prozesse analysiert und Konsequenzen abgeleitet: „Sehen sich Väter in der Rolle des ‚guten Vaters’, so nehmen sie sich als verantwortungsvolle Versorger wie Fürsorger im Sinne großer Empathiebereitschaft und Beziehungsfähigkeit gegenüber dem Kind wahr. Ihre grundlegend positive Selbsteinschätzung rekurriert jedoch auch auf einem bestätigendem Vergleich zwischen den mütterlichen und den jeweils eigenen Eigenschaften und Fähigkeiten, der wie zur Rückversicherung über das eigene Können immer wieder vollzogen wird. So halten sich Väter prinzipiell für fähig, in gleichem Maße wie die Mutter für ihr Kind sorgen zu können. Das Konzept des empfundenen Stolzes, bei positiven Rückmeldungen (vom Kind selbst, von der Partnerin, aber auch vom gesellschaftlichen Umfeld) auf die väterlichen Kompetenzen untermauert diese Besonderheit des väterlichen Selbstbildes.“
Und zur Bearbeitung des eigenen Erlebens schreibt Schmidt-Wenzel an anderer Stelle: „In der Herkunftsfamilie gesammelte Erfahrungen, verinnerlichte Werte, Haltungen und Rollen werden entweder als bewusst oder auch unbewusst gelebte Adaption in der aktuellen Familie fortgeführt oder aber als bewusst gelebter Gegenentwurf praktiziert. Den bewussten Haltungen gemein ist die jeweils vorangegangene reflexive Auseinandersetzung mit der Herkunftsfamilie, auf deren Basis für das eigene Leben, für die eigene Familie neu entschieden werden kann, welche Werte transferiert, modifiziert oder auch gebrochen werden. Dabei existieren gelebte Konzepte der Adaption wie des Gegenentwurfs durchaus nebeneinander und schließen sich nicht gegenseitig aus.
Für Väter liegt ein zentraler Gegenentwurf in dem Anspruch, ihrem Kind ein emotional wie physisch präsenter Vater zu sein, der aus der Reflexion eigener schmerzvoller Vaterentbehrungen hervorgeht.“
Es braucht also vor allem positive Zuschreibungen ‚Väter können das‘, Ermutigung und Unterstützung bei den erforderlichen Reflexions- und Aushandlungsprozessen in den Paarbeziehungen und in, wie Klaus Althoff es nennt ‚Väterbanden‘.
Aber zurück zu dem Vorhaben von Soethof. Das Buch ist in drei Abschnitten eingeteilt. Im ersten wirft er einen „subjektiven Blick auf unser elterliches Gestern“, im zweiten auf das Heute und abschließend auf das Morgen. „Wo wir herkommen wir ? Wo wir stehen wir? Wo wir hingehen sollten?“
Soethof porträtiert dazu in Vollzeit arbeitende Väter und Hausmänner, wie zum Beispiel Heiner Fischer von vaterwelten.de. Er zitiert Mütter, die sich aktiv und öffentlich für mehr Gleichberechtigung einsetzen. Er interview den Väterforscher Andreas Eickhorst und stellt Literatur vor, die sich aus anderer Perspektive mit ähnlichen Problemen beschäftigt. Dazu zitiert er „(ernüchternde) Zahlen zu Care-Arbeit aus aktuellen Studien“. Um die Frage zu klären, wie mit Arbeitnehmer*innen, die Eltern sind oder werden, umgegangen wird, hat er im kleinen Familienbetrieb seines Vaters und bei SAP nachgefragt.
Am Ende zahlreicher Abschnitte stellt der Autor Fragen, Aufgaben und bietet Reflexionsanreize, die ihm während der Recherche selbst kamen und von denen ich mir zumindest an einigen Stellen gewünscht hätte, dass der Autor sie auch für sich beantwortet. „Bist du dir deiner eigenen Filterblase bewusst? Wie könntest du sie öffnen?
Er ist der Überzeugung, „nur so können Väter erkennen, welche Leistung Mütter stemmen, und dass es nicht nur Eltern, sondern auch Kindern und der Gesellschaft hilft, wenn wir hinterfragen, warum wir Familienarbeit so aufteilen, wie wir sie häufig noch aufteilen. Ich jedenfalls mache den überholten Scheiß nicht länger und um jeden Preis mit.“ Das ist eine ehrliche Aussage, ich habe aber meine Zweifel, ob die zu Beginn ausgesprochene Einladung auf diesem Niveau zu dem gewünschten Erfolg führt.