Fast eineinhalb Jahre hat eine Arbeitsgruppe von acht Familienrechtler_innen aus Wissenschaft, Justiz und Anwaltschaft im Auftrag des Justizministeriums darüber beraten, wie das zuletzt 1998 umfassend geänderte Sorge- und Umgangsrecht modernen Betreuungsmodellen und geänderten Lebenswirklichkeiten vieler Familie angepasst werden kann.
Das Ergebnis waren 50 Thesen und Empfehlungen, die eine grundlegende Reform des geltenden Kindschaftsrechts bedeuten würden. Manche von ihnen bergen politisches Konfliktpotential. Eines der Ergebnisse.
Die elterliche Sorge sollte den rechtlichen Eltern eines Kindes von Anfang an gemeinsam zustehen. Auch unverheiratete Väter, deren Vaterschaft rechtlich anerkannt ist, sollen künftig mit Geburt des Kindes wie die Mutter automatisch sorgeberechtigt sein. Bislang bedurfte es hierfür einer gemeinsamen Sorgeerklärung beider Eltern. Weigerte sich die Mutter, mit dem Vater das Sorgerecht zu teilen, musste der Vater dann den Weg übers Familiengericht gehen.
Jetzt wird deutlich, dass es diese Regelung nicht geben wird. Warum Bundesjustizministerin Lambrecht in einem Interview trotzdem davon sprach, mit ihrem Vorschlag werde das gemeinsame Sorgerecht von nicht verheirateten Eltern „erleichtert“, erschließt sich Rechtsanwältin Eva Becker, Mitglied der Arbeitsgruppe und Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein, nicht.
„Auch weiterhin wird es Hürden für unverheiratete Väter geben, das gemeinsame Sorgerecht zu erlangen. Es ist bedauerlich, dass die Ministerin nicht der Auffassung der Arbeitsgruppe gefolgt ist. Kinder haben von Geburt an den Anspruch auf zwei sorgeberechtigte Eltern“. Die Anwältin hatte den Automatismus beim Sorgerecht mit Etablierung der rechtlichen Elternschaft seinerzeit als „Leitbild einer geplanten Reform“ bezeichnet. Der Vorschlag war in der Arbeitsgruppe im BMJV ohne Gegenstimme angenommen worden.
Nach meiner Auffassung ist nicht der ‚Automatismus‘ das Leitbild, sondern die Rechte des Kindes auf die Sorge durch Vater und Mutter und die Bedeutung von Vätern für die Entwicklung ihrer Kinder. Die Missachtung des einstimmigen Votums der Arbeitsgruppe ist ein Skandal, die Behauptung der Ministerin, das Vorhaben orientiere sich am ‚Kindeswohl‘ ist mit einem großen Fragezeichen zu versehen.